Rückschau zum Vortrag von Kim Bui am 12.03.2024

Zum Abschluss der vom Burggymnasium Friedberg anlässlich des fünfzigjährigen Gründungsjubiläums veranstalteten Vortragsreihe zu historisch-gesellschaftlich, bildungspolitisch und pädagogisch-psychologisch relevanten Themen durfte die Schulgemeinde am 12.03.24 noch einmal eine renommierte Referentin begrüßen: Mit Kim Bui war die erfolgreichste deutsche Turnerin der vergangenen zwanzig Jahre zu Gast, die dreimal an den Olympischen Spielen teilgenommen und u.a. zweimal Bronze bei Europameisterschaften gewonnen hat. Die zudem über viele Jahre hinweg engagierte Aktivensprecherin der deutschen Turner las u.a. aus ihrem SPIEGEL-Bestseller „45 Sekunden“. Danach diskutierte sie mit den rund 100 Anwesenden verschiedene Fragen zu den Bedingungen ihrer sportlichen Karriere und den Notwendigkeiten des Hochleistungssports.

 

Moderiert von dem Autor des Buches – Andreas Matlé – widmete sich die einführende Lesung von Kim Bui zunächst dem Kapitel ihrer familiären Herkunft, der Frage der Identitätssuche und Identitätsfindung sowie der Sprachlosigkeit über diese Themen innerhalb von Zuwanderungsfamilien. Deutlich wurde in dem sich anschließenden Gespräch mit Matlé, wie kulturell zerrissen solche Familien sein können und wie schwer es gerade den nachfolgenden Generationen von Migranten fällt, den Ansprüchen der eigenen Eltern zu genügen. Emotionaler Druck für Jugendliche ergibt sich allerdings auch aus der Doppelbelastung von Schule und Hochleistungssport, der ein großes Maß an Disziplin, Selbstorganisation und Verzicht erfordere. Hierbei verwies Kim Bui auf die herausragende Bedeutung der Eigenmotivation und der Konzentration, um Wettkampfsituationen erfolgreich bestehen zu können. Gerade die Selbstdiziplinierung von jungen Hochleistungssportlern – also die zeitliche Disziplinierung und die Bereitschaft, Übungen monoton immer wieder zu wiederholen – führe einerseits zum Aufbau von Selbstvertrauen und Selbstsicherheit in die eigenen Fähigkeiten, andererseits aber auch in einen Kreislauf von Optimierungswahn, bloßen Automatisierungen und durchaus auch zu psychischen Erkrankungen. Damit gelangte sie zu den Schattenseiten des selbst erlebten Hochleistungssports, konkret zum Bereich der schweren Sportverletzungen und insbesondere ihrer – mittlerweile überwundenen – Bulimie. Dieses immer noch als Tabu in unserer Gesellschaft zu begreifende Thema führte Kim Bui weiter aus und empfahl die eigenständige Suche nach Hilfe, sei es durch Gespräche mit vertrauten Personen, sei es natürlich auch durch professionelle Hilfe. Abschließend gefragt, was die Leidenschaft am Turnsport für sie ausmache, wies Kim Bui auf die Dynamik und Eleganz sowie die Kombination der verschiedenen Fähigkeitselemente hin, die notwendig seien. Den Hochleistungssport vermisse sie derzeit nicht, schon weil sie es genieße, auf verschiedenen anderen Feldern aktiv und nicht mehr in die starren Strukturen des Leistungssportsystems eingebunden zu sein.

In der über neunzig Minuten dauernde Veranstaltung vermochte Kim Bui die Schüler:innen für den großen Themenstrauß, den sie aufgebunden hatte, zu fesseln – was sich auch an den entsprechenden Nachfragen und anschließenden Gesprächen zeigte. Und so klang schließlich ein intensiver Abend aus, der den Beteiligten in Erinnerung bleiben wird.

Dieser Beitrag erschien auch in der Wetterauer Zeitung am 18.03.2024.