Rückschau zum Vortrag von Anita Seebach

Schule ohne Gott? – Podiumsdiskussion am Friedberger Burggymnasium zur Frage der Zukunftsfähigkeit des Religionsunterrichts in der multikulturellen Gesellschaft

„Nach der Änderung des Grundgesetztes möge die Schulkonferenz des Burggymnasiums Friedberg entscheiden: Der konfessionelle Religionsunterricht wird am Burggymnasium zugunsten eines verbindlichen Ethik-Unterrichts für alle abgeschafft.“ – Mit diesem Szenario waren die fünf Teilnehmer einer Podiumsdiskussion in der Aula des einzigen Oberstufengymnasiums der Wetterau am 05.03.2024 konfrontiert. Unter der Moderation von Cornelius Mann – bis zu seiner Pensionierung im letzten Jahr evangelischer Pfarrer, Schulseelsorger und Religionslehrer in Gießen – diskutierten Pfarrer Kai Hüsemann (Leiter des katholischen Pastoralraums Wetterau-West), Prof. Dr. Alexander Jendorff (Fachbereichsleiter II am Burggymnasium) und Frau Anita Seebach (Leiterin des Kirchlichen Schulamts Gießen der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau) sowie die Schülerinnen Merle Nitsch und Maren Jachens intensiv über diesen fiktiven Antrag. Zuvor hatte Frau Seebach mit einen Impulsvortrag die Veranstaltung eröffnet, die die Vortragsreihe am Burggymnasium anlässlich des Schuljubiläums fortsetzte. In ihrem Eingangsreferat verwies Seebach auf die Notwendigkeit von Religionsunterricht in der pluralistischen Gesellschaft. Denn Religion ein eigenständiger Weltzugang neben anderen, den man Heranwachsenden nicht vorenthalten dürfe, damit sie in der Lage sind, Welt zu verstehen. Der Religionsunterricht trage zur Demokratiebildung bei und sei auf diese Weise auch ein wirksamer Schutz gegen Fundamentalismus und Antisemitismus. Schließlich wirke Religionsunterricht über den eigenen Unterricht hinaus und trage zum Zusammenhalt der Schulgemeinschaft bei.

Anschließend tauschten die Diskutanten auf dem Podium ihre durchaus sehr kritischen und kontroversen Positionen miteinander aus. Neben Seebach unterstützte auch Pfarrer Hüsemann nicht nur die Idee, dass der konfessionelle Religionsunterricht persönliche Entscheidungshilfen bieten könne, sondern dass er darüber hinaus generell für alle Religionsgemeinschaften angeboten werden müsse. Zudem verwies er auf die Notwendigkeit, in Zeiten der religiösen Sprachlosigkeit eine schulische Alternative anbieten zu müssen, zumal wenn man den bisherigen Religionsunterricht abschaffen wolle. Aus seiner Sicht leiste der bisherige Ethik-Unterricht dies nicht. Demgegenüber plädierte Maren Jachems für eine strikte Trennung von Staat und Kirche, weil ansonsten keine wirkliche Religionsfreiheit – insbesondere für nicht-christliche Lernende – gegeben sei. Unterstützt wurde sie in ihrer Position von Jendorff, der die privilegierte Stellung der beiden christlichen Konfessionen ebenso hinterfragte wie deren Beitrag zur Ausbildung eines demokratischen Bewusstseins bei Lernenden. Entsprechend attestierte er den christlichen Kirchen ein Glaubwürdigkeitsdefizit. Unterstützt wurden die Diskutanten durch die Auswertung einer Befragung, die Lernende der Einführungsphase am Burggymnasium im Rahmen ihres (evangelischen) Religionsunterrichts unter 126 Schüler:innen unter Anleitung ihres Lehrers Michael Lang durchgeführt hatten. Die Präsentation ausgewählter Ergebnisse bereicherte die Diskussion im

mens, zumal sich das zahlreich anwesende Publikum – immerhin 100 Schüler:innen sowie viele Interessierte aus der Stadt und dem Landkreis Wetterau – rege an der Debatte beteiligte. Am Ende wurden die inhaltlichen Unterschiede zwischen den Diskutanten zwar nicht vollends beigelegt; einig war man sich aber darin, dass es einen entschiedenen Modernisierungsbedarf sowohl bei der bisherigen Form des Religionsunterrichts als aber auch bei der momentanen Ausgestaltung des Ethik-Unterrichts gebe.

Dieser Beitrag erschien auch in der Wetterauer Zeitung am 09.03.2024.