Burgschüler besuchen Gedenkstätte des NS-Terrors – Hadamar als ambivalenter Ort der Rassehygiene und des glanzvollen katholischen Barockzeitalters

In Zeiten, in denen sich völkisch-nationalistische Ideen wieder lautstark bemerkbar machen, erscheint es umso dringlicher, nach der Herkunft und den Wurzeln solcher Auffassungen zu fragen. Gefragt werden kann aber auch, ob solche Ideen neu sind bzw. inwiefern sie – offen oder verdeckt – nicht vielmehr eine Kopie bereits schon vorhandener Ideen sind. Schnell findet man solche Entsprechungen, die sich in Begriffen wie Identität, Kultur, Volk und Rasse wiederfinden, in der Ideenwelt der nationalsozialistischen Ideologie. Sie ging von einem blutsmäßig verbundenen Volk auf rassischer Basis aus, das sich einerseits gegen „minderwertige Rassen“ gewaltsam wehrte, das andererseits die eigene rassegenetische Basis reinhalten müsse. Körperlich wie geistig benachteiligte Menschen hatten in solchem Denken folgerichtig keinen Platz. Beides – Rassekampf nach außen und Rassehygiene nach innen – sollte dem Ziel dienen, als Rassekollektiv zu überleben. Solche Ideen, die ihre praktische Umsetzung im Vernichtungsprogramm „T4“ des NS-Terrorapparats fanden, waren keine Neuerfindungen Hitlers und seiner Terrorfunktionäre. Vielmehr entsprachen sie bestimmten Mainstream-Gedanken der bürgerlichen Gesellschaften in Gesamteuropa des ausgehenden 19. und 20. Jahrhunderts. Ausgehend von der darwinistischen Evolutionstheorie formulierten sie den Rassegedanken und die Rassehygiene neu und überführten ihn in eine eigene, pseudowissenschaftliche Ideenwelt. Sie waren demnach nicht nur in Deutschland verbreitet; sie fanden aber auch und gerade in Deutschland – insbesondere in Hessen – ihre herausragenden Vertreter – nicht zuletzt in bürgerlich-konservativen Kreisen –, die solche Ideen in die Praxis umsetzten.

Ganz bewusst haben sich daher die Geschichtslehrer*innen des Burggymnasiums Friedberg dafür entschieden, mit einer ganzen Jahrgangsstufe obligatorisch nach Hadamar zu fahren; und sie haben dafür ein entsprechendes Konzept für den Unterricht in der Jahrgangstufe 12 entwickelt. Denn Gedenkstätte und Stadt Hadamar bieten die einmalige Gelegenheit, der Ambivalenz eines Ortes – also sowohl die Nähe und Alltäglichkeit des Vernichtungsterrors nebst der Perfidie des Systems als auch der schwierige Umgang mit diesem lokalen Grauen in einem kleinen, unauffälligen Barockstädtchen – nachzuspüren und beides auf sich wirken zu lassen. Daher fuhren alle Geschichtskurse des Burggymnasiums nach Hadamar und nahmen an einer eintägigen Studienfahrt mit Führung bzw. Workshop in der Gedenkstätte sowie einer Stadtführung teil – so auch jene Grund- und Leistungskurse im Fach Geschichte, die am vergangenen Montag die Gedenkstätte besuchten. Die Schülerinnen und Schüler waren beeindruckt von dem, was sich ihnen bot und arbeiteten intensiv mit – nicht zuletzt auch, weil in den entsprechenden Geschichtskursen bereits zuvor intensiv inhaltliche Vorarbeiten stattgefunden hatten. Am Ende stand die Einsicht, wie dünn die zivilisatorische Decke in den europäischen Gesellschaften war und wie schnell bzw. zielgerichtet man bereit war, unter Missachtung fundamentaler Menschenrechte sogenanntes lebensunwertes Leben auszulöschen. „Es macht deutlich, wie wichtig Menschenrechte sind“, bemerkte die Schülerin Nina Roth dazu abschließend.